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Modeling in China

Casting-Situation mit Kunde (links). Ihm gehören mehrere Fabriken und er besitzt eine beträchtliche Sammlung von europäischen Luxuskarossen. Englisch spricht er trotzdem kein Wort.

Mein erstes Casting. Endlich. Ich hatte bisher nicht viel zu tun, was angeblich damit zu tun hätte, dass die örtlichen Kunden nicht gewohnt seien, dass ein europäischer Bestager zur Verfügung stehe. „Das muss sich erst rumsprechen. Du musst Geduld haben.“ Geduld ist nicht meine größte Tugend, aber ich habe keine andere Wahl, als der Aussage meiner örtlichen Booker zu vertrauen. Aber endlich hatte ein Kunde Interesse bekundet und mich zum Casting gebeten. Wobei man nicht von einem klassischen Auswahlverfahren reden kann, denn die chinesischen Mitbewerber, die vor mir dran waren, waren vom Typus her in etwa so weit entfernt von mir wie Justin Bieber.

Lokale Mitbewerber

Der Kunde wollte sich wohl eher davon überzeugen, dass da wirklich ein professionelles europäisches Bestager-Model in town war, oder ob man ihm vielleicht einfach nur irgendeinen einen weißen Touri andrehen wollte. Seine Reaktion war eindeutig. Er freute sich wie ein kleiner Junge angesichts meiner Erscheinung und meinte mit erhobenem Daumen, ich wäre perfekt. Ich sähe aus wie einer, der ordentlich was trinken könne, wie mir meine Bookerin übersetzte. Es gälte nämlich seinen Wein zu bewerben und dafür bräuchte er einen richtigen Lebemann. Einen, der trinkt, raucht und viele Frauen liebt. 

Projektionsfläche für allerlei Phantasien

Herrlich. Mein Etikett funktioniert einfach weltweit. Und das obgleich Verpackung und Inhalt nicht deckungsgleich sind. Aber da kann man wohl noch soviel Yoga machen und Green-Smoothies schlürfen, Teilen seiner Identität kommt man nicht aus. Der wilde Hund steht mir einfach ins Gesicht geschrieben.

Das andere Ich

Ich war keine 48 Stunden im Land gewesen, als sich bereits der erste Betäubungsmittelhändler via Instagram bei mir gemeldet hatte und mir einen diskreten Hauslieferservice angeboten hatte. Genauso wie die junge Dame, die mir meine erste Fußmassage verpasste und mich diskret wissen ließ, dass sie auch geübt in intimeren Massagepraxen sei. Sei erwähnt, dass weder Drogen noch Prostitution in China eine Selbstverständlichkeit sind. Im Gegenteil. Da muss man lange suchen.

Der Rotlicht-Experte (Villiger Cigars)

Oder eben meine Ausstrahlung haben, dann klappt das weltweit im Handumdrehen von ganz allein. Ich wundere mich schon lange nicht mehr darüber. Selbst der Taxifahrer, der mir letztes Jahr, im keuschen Indien, einen Blowjob anbot, konnte mir nur ein müdes Lächeln entringen. Die Spuren meiner wilden Jugend haben wohl ein paar Narben hinterlassen. Mir traut man alles zu. Egal. Ich habe die wilden Zeiten überlebt und jetzt macht es sich bezahlt.

Der Kunde musste lauthals lachen, als ich bei der Verkostung seines Produktes nach Luft japste. Ich hatte einen kräftigen Schluck genommen, nicht wissend, dass sein Stoff 57 Umdrehungen hatte. Das reinste Feuerwasser. Zu heftig für einen zartbesaiteten Yogi. Egal, er freute sich wohl, dass sein Stoff einen harten Kerl wie mich nicht unberührt ließ und schenkte mir eine Flasche, damit ich Zuhause fürs Shooting ein wenig das Trinken üben könne.



Die Flasche war vom Design identisch mit einer Hendricks Gin Flasche. Ob er sich davon hätte inspirieren lassen, wollte ich wissen. Hendricks? Kenne er nicht. Ich zeigte ihm ein Foto auf meinem iPhone und an seiner gespielt überraschten Reaktion merkte ich, dass ich in ein kleines Fettnäpfchen getreten war. Gesicht wahren und so.

The Dude

Er fragte nach dem Preis einer Hendricks-Flasche. Was? 35 Euro? Wieder schallendes Gelächter. Nein, so einen billigen Fusel verkaufe er nicht. Eine Flasche seines Weines koste 100 Dollar. Und mit meiner Hilfe würde man auch bald im Rest der Welt den Unterschied kennen, wie er mir erklärte. Aber sich doch. Ich bin genau dein Mann. The Dude.

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