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Das chinesische Seepferdchen

Podcast

Feiertag in China: am besten bleibt man Zuhause

Heute ist Sonntag. Zumindest in China. Im Rest der Welt ist heute Freitag. Aber die Chinesen haben den heutigen Freitag gegen den letzten Sonntag eingetauscht. Genauso wie der gestrige Donnerstag mit dem kommenden Sonntag getauscht wurde. Dadurch haben sie aus dem Tag der Arbeit, dem ersten Mai, einen dreitägigen Megafeiertag gemacht, ohne wertvolle Arbeitszeit zu verlieren. Ich hatte mich gewundert, warum am letzten Sonntag in meinem Lieblingsrestaurant kein großer Aufttrieb war.

Ist heute Freitag oder Sonntag?

Normal wartet man im HUDA, der Pekinger Top-Adresse für Sichuan Food, mindestens eine halbe Stunde auf einen Tisch. Mein Date, eine Lehrerin, hatte mir auch kurzfristig abgesagt, weil sie unerwartet, ein paar Unterrichtsstunden von einer Kollegin übernehmen musste. In beiden Zusammenhängen tauchte zwar die Erklärung auf, dass heute doch Freitag sei, aber ich hatte dem keine sonderliche Beachtung geschenkt.

Mir sind aufgrund der Sprachbarrieren in den letzten Monaten so viele seltsame Sachen passiert, dass ich mich schon lange nicht mehr wundere. Hao ba. Ich nicke stets alles ab und nehme es mit selbstverständlicher Gelassenheit hin. Man muss ja auch nicht immer alles verstehen und hinterfragen. Irgendwann klärt sich immer alles von ganz alleine auf. 

Warum die Spucknäpfe am Dongdan Pool?

Warum die Spucknäpfe?

Warum in meinem Pool, in Dongdan, Spucknäpfe am Ende der Bahn stehen, in denen die Schwimmer nach ihrem Bahnen gerne reinspuckten, hatte ich auch nie wirklich hinterfragt. Ich war einfach nur glücklich, dass ich unweit meiner Wohnung einen Pool entdeckt hatte. Ein 50 Meter Pool im zweiten Stock, sowas hatte ich vorher noch nie gesehen. Und sowas wie mich hatte die hiesige Klientel wohl auch noch nie gesehen. Ausschließlich Chinesen. Sie freuten sich über den Besuch der weißen Langnase. Wieder mal überschwängliche Hilfsbereitschaft. Und auch unverhohlene Neugier in der Dusche.

Ja, es gibt kleine proportionale Unterschiede.

Assimilation im wahrsten Sinne des Wortes. Ich fühlte mich schnell Zuhause und erstand eine Monatskarte. Als mir im Hong Kong Medical Centerim Rahmen meiner Knie-Untersuchung Blut abgenommen wurde, warnte man mich ausdrücklich davor innerhalb der nächsten 24 Stunden in Dongdan Schwimmen zu gehen. Das Infektionsrisiko sei, selbst bei so einem kleinen Einstich, viel zu hoch. Das Wasser sei einfach zu schmutzig. Und ich solle bitte auch tunlichst vermeiden, Wasser zu schlucken. Ah, ok.Daher also die Spucknäpfe. Die Info kam zwar ein paar Liter zu spät, aber immerhin weiß ich jetzt Bescheid. Mit genügend Geduld versteht man in China alles.

National Aquatics Center auf dem Olympiagelände von Peking

Fürs Olympiabecken muss man eine Schwimmprüfung absolvieren.

Leider war das Wasser in meinem Stammpool anscheinend tatsächlich so schmutzig, dass er kurz darauf geschlossen wurde. Auf der Suche nach Ersatz hatte ich mich für den National Aquatics Center im olympischen Trainingsgelände entschieden. Der ist zwar mit einer längeren Anreise verbunden, aber olympische Athleten würden doch sicher in sauberem Wasser trainieren. Als ich nach eineinhalb Stunden später – das Olympiagelände ist riesig – schließlich am Einlass stehe, erklärt man mir, dass ich erst meine Schwimmtauglichkeit nachweisen müsse, wenn ich im Profibecken trainieren will.

Hier schwammen die Olympioniken 2008

Nachweis der Olympia-Tauglichkeit.

Es gäbe zwar auch ein Planschbecken, aber wenn ich richtig schwimmen will, muss ich nachweisen, dass ich die hiesigen Athleten nicht behindern würde. Musste quasi meine Olympia-Tauglichkeit nachweisen. Selbstredend, dass es einem halbstündigen Übersetzungsmarathon und fünf Mitarbeitern bedurfte, um mir dies alles zu erklären. Aber ich mache Fortschritte, kann mittlerweile schon zwischen den Zeilen lesen. Auf ein freundliches Nicken, wenn sie eigentlich Nein meinen, falle ich nicht mehr rein.

Prüfungsanforderung fürs Olympiabecken.

Die Seepferdchen-Prüfung

Ich zahle fünf Euro Prüfungsgebühr und springe unter Anweisung des Bademeisters oder auch Olympiatrainers ins Becken. Wohlgemerkt ein Becken ohne Spucknäpfe mit lecker Chlor-Geruch. Fast wie Zuhause. Herrlich. Gott sei Dank bin ich professionell ausgestattet, schwimme mit Paddles und Brille, sodass mir zumindest ein wohlwollender Blick des glatzköpfigen Schwimmtrainers zuteil wird. Die Langnase war wohl schon mal im Wasser. 

Trotzdem: Zuerst soll ich ihm zeigen, dass ich mich mit erhobenen Armen eine Minute über Wasser halten kann. Anschließend muss ich vier Bahnen á 50 Meter kraulen während er mich mustert und Zeit nimmt. Ich gebe alles, auch wenn die Nummer ein wenig einer Seepferdchen-Prüfung ähnelt.

Seepferdchen bestanden!

Als ich die 200 Meter hinter mir habe, streckt er mir den erhobenen Daumen entgegen. Bestanden. Ich bin jetzt Mitglied der chinesischen Olympiamannschaft. Quasi. Oder vielleicht auch nur das dritte Ersatz-Maskottchen. Das Seepferdchen.  

Ein Kommentar

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