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Grausam grüßt das Murmeltier

In meiner Tiroler Zweitheimat gehören Murmeltiere zu meinem Alltag. Auf Bergtouren jenseits der Baumgrenze sind die Nager oft die einzigen Lebewesen, die mir begegnen. Sie stören sich nicht an mir. Man kennt mich und man ignoriert mich. Wenn sie mich als Gefahr betrachten würden, würden sie einen lauten Pfeifton erzeugen, um ihre Artgenossen zu warnen.

Wenn ich morgens zu meiner Lieblingstour, auf den benachbarten Transjoch, aufbreche, merke ich am Schrei der Murmeltiere schnell, ob auf dem Berg irgendwelche Störenfriede unterwegs sind. Seit Corona pfeifen sie ständig. Es herrscht Ausnahmezustand in den Bergen. Das reinste Pfeifkonzert. Lieschen Müller hat bedingt durch die Reisebeschränkungen die Bergwelt Österreichs für sich entdeckt. Die Murmeltiere sind daher etwas gestresst.

Der Alarm der Murmeltiere bedeutet Alarm in der Kasse des Hüttenwirtes.

Stefan freut sich über den Krawall der Murmeltiere. Denn desto mehr Alarm diese schlagen, desto mehr Alarm in seiner Kasse. Stefan ist der Wirt der Mariandlalm. https://www.kufstein.com/de/thiersee/info/mariandlalm.html Er lebt vom Feind der Murmeltiere: dem Touristen! Gerne auch von Kegelclubs oder Fußballvereinen, die seine Hütte am Wochenende mieten, um ungeniert über Nacht die Sau rauszulassen. Ohne Masken, eh klar.

Die Truppe, die mir letzten Sonntag beim Aufsteigen ins Transjoch entgegenkam, stand der Rausch noch deutlich in Gesicht geschrieben. Die Murmeltiere spielten verrückt. Rette sich wer kann. Die Promilletruppe torkelte den Berg hinunter. Nicht wenige stolperten über die Murmeltier-Löcher. Das kann böse enden, zumal die Murmeltiere in diesem Jahr deutlich mehr Höhlen gegraben haben, um sich vor dem Corona-bedingten Ansturm in Sicherheit zu bringen.

Die Mariandlalm liegt auf 1.200 Metern inmitten eines Murmeltier-Minenfelds.

Corona-Ampel? Kindergarten!

Normal fährt Stefan zumindest die schlimmsten Alkoholleichen mit dem Jeep ins Tal, um schlimmere Stürze zu vermeiden. Diesmal konnte Stefan niemanden fahren. Er hatte selber so tief ins Glas geschaut, dass er fahruntüchtig war. Und das heißt was, denn Stefan ist ein gestandener Almwirt, der ordentlich was wegschütten kann. Aber der Frust über die neuen Corona-Maßnahmen haben ihn übers Ziel hinausschießen lassen.

Ab sofort muss man nämlich bei ihm auf der Hütte Maske tragen. Womöglich wird er seinen Betrieb deswegen einstellen müssen. Wer rennt schon mit Maske auf den Berg? Masken und Berge sind ein Widerspruch in sich. Stefan ärgert sich: Corona-Ampeln? Der reinste Kindergarten!

Der Kinderkanzler möchte sein Volk intellektuell nicht überfordern

Ja, in Österreich gibt es ein Ampelsystem, dass es den Bewohnern kinderleicht machen soll zu erkennen, welche Regionen Corona-gefährdet sind. Das kommt dabei raus, wenn ein Land von einem Kinderkanzler regiert wird. Der kleine Sebastian wollte es seinen Landsleuten leicht machen und hat mit seiner bunten Ampel deutlich gemacht, was er vom Bildungsstand der Bevölkerung hält: Grün = gut. Gelb = nicht so gut. Orange = gar nicht gut. Rot = schlecht. Oder in Summe einfach nur ein Scheißkasperltheater, wie Stefan meint.

Favorisierte Medizin der Waldbewohner: Schnaps!

Wie so viele Tiroler fühlt er sich von Corona eigentlich nur wirtschaftlich bedroht. Vielleicht, weil ein Volk, das – laut Trump – in Wäldern lebt, einfach keine Ehrfurcht vor einem unsichtbaren kleinen Virus hat. Das Leben zwischen all den explodierenden Bäumen ist auch so schon gefährlich genug. Und wenn wirklich mal was zwickt, dann trinkt man halt ein Schnapserl. Wird schon alles wieder gutwerden. Über die Hälfte der Oberösterreicher haben bereits in einer Umfrage kundgetan, dass sie sich nicht gegen Covid-19 impfen lassen werden. Harte Burschen diese Waldbewohner!

Trumps Blick auf die Österreicher

Der zarte Sebastian wäre gerne ein harter Bursche.

Vielleicht glaubt der kleine Sebastian deswegen, dass er auch den harten Burschen geben muss. Wenn er schon ausschaut, als würde er selber nur Kakao trinken, dann muss doch wenigstens sein Habitus dem eines Hinterwäldlers entsprechen.

Wer weiß, was er sich denkt oder ob er überhaupt denkt, der Ösi-Kanzler, wenn er sich weigert ein paar Flüchtlinge aufzunehmen. Die 12.000 obdachlosen Menschen im griechischen Moria lassen ihn kalt. Sie haben ihr Lager absichtlich angezündet und Feuerteufel kann man in einem Land mit so viel Wald natürlich nicht gebrauchen. Kurzum: Kurz kennt da kein Pardon.

Die Machtzentrale von Kanzler Sebastian Kurz

Punkten kann Kurz höchstens bei den Murmeltieren.

In meiner Tiroler Nachbarschaft kann der Kanzler aktuell nicht sonderlich punkten. Die meisten Bauern und Gastronomen nehmen ihm seine strengen Corona-Restriktionen übel. Einzig bei den Murmeltieren könnte er auf ein paar Bonuspunkte hoffen, weil durch sein Ampel-Theater die Saufgelage auf dem Berg aufhören werden und sie daher weniger Stolperfallen graben müssen.

Normal kenne ich auf meinen Standardtouren jeden Murmeltierbau. Vor drei Tagen bin ich dennoch über einen neuen gestolpert. Sprichwörtlich. Ich konnte meinen Sturz zwar gerade noch abfangen, aber habe mir dabei das Sprunggelenk dermaßen verdreht, dass ich die Bänder quasi reißen hörte. Hatte ich meine Corona-Depression nach einwöchiger Bergtherapie gerade wieder in den Griff bekommen, war mit einem Stolperer wieder alles dahin. Scheißmurmeltiere! 

Die Murmeltierfalle

Bei Gelenkschmerzen hilft Murmeltiersalbe!

Zurück auf meiner Hütte stolpere ich bei dem Versuch der Selbstmedikation auf eine Empfehlung im Internet: Bei Gelenkverletzungen hilft Murmeltiersalbe! Sehr komisch! Soll ich eins schlachten und zu Salbe verarbeiten, oder was? Die armen Viecher – ich hasse sie zwar aktuell ein wenig – können auch nichts dafür. Corona ist schuld.

Also ab ins nächste Krankenhaus nach Kufstein, während mein Fuß blau und lila anschwillt. Unterwegs im Radio die Nachricht, dass die Ampeln in der Region drohen auf Orange zu schalten. Scheiß-Ampeln! Dann auch noch die Nachricht, dass Deutschland erwägt, Österreich als Risikogebiet zu erklären. Scheiß-Corona!

Für das Satire-Magazin TITANIC ist der Kinderkanzler ein gefundenes Fressen.

Ohne Flüchtlinge gäbe es keine medizinische Versorgung.

Also umdrehen, weg von den Waldbewohnern, ab nach Hause, in die Zivilisation, wo eine Kanzlerin mit Herz regiert. Deren Gesundheitsminister – übrigens ein enger Freund vom kleinen Sebastian – hatte letztes Jahr noch wenig Herz in Sachen Gesundheitssystem gezeigt, als er beschloss, dass wir weniger Ärzte und Pflegepersonal bräuchten.

Über vier Stunden musste ich deswegen in der orthopädischen Schön Klinik in München-Harlaching auf einen Röntgentermin warten. Wären dort nicht so viele ehemalige Flüchtlinge als Pflegepersonal beschäftigt, wäre ich wahrscheinlich gar nicht behandelt worden. Daher: Danke, Angela! Selbst die Ärztin sprach nur gebrochenes Deutsch. Jedoch gut genug, um mir zu erklären, dass zwar nichts gebrochen sei, ich aber trotzdem wegen meiner kaputten Bänder die nächsten Wochen nur mit Krücken laufen dürfe.

Genauso kaputt wie der Fuß von Ballack!

Am nächsten Tag MRT und die Diagnose meines Sportorthopäden: „Sieht übel aus. Genau wie damals beim Ballack. Zwei Außenbänder sind komplett gerissen und das Syndesmoseband ist angerissen. Normal nagelt man das. Aber bei Sportlern kann man auch eine konservative Therapie riskieren. Bei Michael Ballack hat es funktioniert.“

Ich entscheide mich dafür, so sportlich wie Michael Ballack zu sein. Den hatte die Verletzung damals, nach Boatengs Brutalo-Foul, die südafrikanische WM-Teilnahme und in Folge die Karriere gekostet.

Mein orthopädisches Vorbild, Michael Ballack, hatte 2010 genau die gleiche Verletzung.

Wenn’s kommt, dann kommt’s dicke.

Mal schauen, was es mich kosten wird, denke ich mir, als ich auf Krücken die Praxis hinaus humple. Die Antwort folgte stante pede als Mail in meinem iPhone. Jobanfrage einer Werbefilmproduktion:

Unser Hauptdarsteller ist verletzungsbedingt ausgefallen. Kannst Du spontan einspringen? Vier Tage Videodreh in Österreich. Du musst nur ein wenig SUV fahren und durch die Berge wandern. Ist quasi ein bezahlter Urlaub.“

Derlei Shootings wird es so schnell nicht wieder geben für mich.

Corona is a bitch!

Was für ein Hohn! Nicht genug, dass Corona mir ein Bein gestellt hat, nein, Corona hat mir, am Boden liegend, auch nochmal kräftig in die Eier getreten. Das Virus hatte mir wohl meine Kraftausdrücke der letzten Woche übelgenommen. Ja, Corona und ich, das ist eine ganz persönliche Angelegenheit, die einfach kein Ende finden will. 

Der misanthropische Phil Connors (Bill Murray) wurde durch die Begegnung mit dem Murmeltier zum besseren Menschen. Das lässt hoffen.

2 Kommentare

  1. Jilg Jilg

    Mensch du Armer, es gibt halt ( allerdings bei jedem ) Zeiten, da läuft ned. Wird auch wieder anders. Nach dem Regen kommt die Sonne. Kommen heite Abend kurz auf unsee Alm. Bist drinnen?

    • Nein, bin in Muc. Hütte macht gerade keinen Sinn mit meinem kaputten Fuß. Leider.

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