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Ich hasse Ostern

„Ich hasse Silvester. Da saufen auch die Amateure.“ So wie es Harald Juhnke einst mit Silvester ging, geht es mir heute mit Ostern. Jeder Amateur frisst auf einmal Eier. Und ein Profi wie ich, der als Fleischersatz übers Jahr locker 2.000 Eier verdrückt, muss es ausbaden. Beim Eiermann auf dem benachbarten Bauernmarkt, am St. Anna Platz, musste ich doppelt so lange anstehen, also zeitlich, von der Distanz stand ich sogar zehnmal solange an, da aus den einstigen 1,50 Sicherheitsabstand mittlerweile fünf Meter geworden sind – ach was waren das noch für schöne Zeiten als wir nur 1,50 hatten. Dann endlich an der Reihe, beim Eiermann meines Vertrauens, man kennt sich, man weiß was der andere so treibt, auch dass der Hühnermann parallel eine ansehnliche kleine Hanfplantage betreibt, aus selbiger er unter anderem das Futter für seine Hühner generiert, was womöglich in Kontext zur Riesennachfrage an seinem Stand steht, muss ich feststellen, dass meine üblichen L-Eier plötzlich aussehen wie S-Eier.

Gestresste Ostereier

Der Eiermann erklärt mir, dass das die mickrigen Eier dem Osterstress geschuldet wären. Wegen der großen Nachfrage könnten seine Hühner nicht so gemütlich arbeiten wie sonst. Er würde ihnen Druck machen, damit sie mehr legen. Gestresste Ostereier also. Ob das gesund ist? Fleischfresser sollten ja idealerweise auch nur stressfrei geschlachtete Viecher essen. Und ich muss jetzt wegen Ostern gestresste Eier essen. Ja, vielen Dank auch. Und kostspielig wird’s auch noch. Bei L-Eiern brauche ich üblicherweise fünf Eiweiß und zwei Eigelb, um eine ordentliche Omelette zu zaubern. Von den mickrigen S-Eiern brauche ich zehn. Ein teurer Spaß. Die gleiche Abzocke wie an Silvester, wo auch alles immer doppelt so teuer ist. Ich kann Harald Juhnke gut verstehen. Ich hasse Ostern!

Keiner hat mich lieb

Hinzu kommt, dass ich das Osterfest ganz alleine verbringe und es sich daher eher nach Untergang als nach Auferstehung anfühlt. Ich wusste nicht, dass man sich alleine so alleine fühlen kann. Um mich herum nehme ich seit zwei Tagen nur Liebe wahr. Egal wohin ich schaue – an der Isar spazieren sie Händchen haltend, im Englischen Garten schmusen sie auf dem Rasen, im Perlacher Forst treiben sie es sowieso vogelwild, und auf den Balkons meiner Nachbarn sitzen nur glückliche Pärchen beim Osterbrunch. 

Einsam und verlassen an der Isar.

Wenn das eigene Kind einen auslädt

Ich glaube, ich bin der einzige Single im ganzen Viertel – mal abgesehen von Goran, den seine Frau nach zwanzig Jahren gerade rausgeschmissen hat, weil sie sich plötzlich an seinem Schnarchen störte. Aber Goran hat damit anscheinend kein Problem, ich habe ihn nie glücklicher erlebt. Vielleicht auch, weil er keine Kinder hat und nicht weiß, was echter Schmerz bedeutet. Mein Sohn, der 400 Kilometer entfernt lebt, und mit dem ich eigentlich Ostern feiern wollte, hat mich tatsächlich ausgeladen. Ich solle das nicht persönlich nehmen, meinte er, aber die Merkel hätte doch schließlich gesagt, dass wir über Ostern nicht verreisen sollen. Was die Mutter der Nation sagt, hat plötzlich mehr Gewicht als die Wünsche des Vaters. Wo war Angie nur, als ich damals so dringend Hilfe beim Windelwechseln gebraucht hätte? Das ist dann wohl die Quittung für meine antiautoritäre Erziehung.

Der Kinderschreck
Als ich bei meinem Kind an Ostern noch willkommen war

Wenn der Nusszopf mit dem Aufzug kommt

Auch die üblichen Mitleidseinladungen, die einen Single im fortgeschrittenen Alter gerne an Feiertagen zuteil werden, bleiben Corona-bedingt plötzlich aus. Sogar meine Lieblingsnachbarn, Michaela und Bernd, die mich an Weihnachten noch unter ihrem Baum feiern ließen, weil sie sich sorgten, dass ich mir ansonsten vielleicht was antun könnte, müssen zum Osterfest passen. Sie gehören altersbedingt zur Risikogruppe und müssen ihr Wohl vor meines stellen. Und da ich seit gestern schon wieder am Niesen bin, tun sie womöglich sogar gut daran. Immerhin hat Michaela mir einen selbstgebackenen Nusszopf mit dem Aufzug vom fünften Stock runtergeschickt.

Meine Nachbarin Michaela May ist nicht nur eine Top-Schauspielerin, sondern auch eine begnadete Bäckerin

Keiner ruft mich an

Danke dafür, liebe Michaela. Der schmeckt zwar alleine nur halb so gut, aber vielleicht habe ich ja Glück und irgendjemand ruft mich an während ich ihn verspeise. Über Skype, Zoom, Facetime oder auch einfach nur übers ganz normale Telefon. Wäre echt schön, aber ich befürchte, die Chance ist gering, denn Telefonate mit mir können derzeit gerne etwas ausufern. Der Vodafone-Kundenbetreuer, der mir seit Tagen einen Rückruf schuldet, ist abgetaucht, der Systembetreuer, der sich um den technischen Ablauf meines Blogs kümmert, verweigert mir jeglichen weiteren Support, mein Steuerberater bekommt sofort Lachanfälle, wenn er nur mein Hallo hört, mein Hausarzt sowieso und selbst mein Versicherungsagent, bei dem ich die letzten Tage zum Zeitvertreib ein paar Policen neu bewertet habe, ist nicht mehr greifbar. Ja, sie alle haben ein paar sehr intime und dezidierte Einblicke in meinen Alltag bekommen, ohne wirklich danach gefragt zu haben und waren so tapfer gewesen, sich das anzuhören, um mich dann infolge auf ihren Telefonen zu blockieren. 

Die einzige, die mir treu geblieben ist, ist meine Postbotin. Ursula hört mir gerne zu. Leider hat Ursula über Ostern frei. Bleibt nur zur hoffen, dass die Post ihr jüngstes Versprechen einhält, krisenbedingt zukünftig auch an an Wochenenden auszuliefern. Dann wäre zumindest Pfingsten gerettet. Aber Ostern ist futsch. Ich hasse Ostern!

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